Wie können neue Technologien Menschen mit Parkinson helfen, ihre Symptome zwischen den Arztterminen zu bewältigen? Diese Frage war der Auslöser für die Entwicklung der Apps Neptune und Neptune Care von Orbit Health - wir sprechen mit den Entwicklern, um mehr zu erfahren
"Eine große Lücke in der klinischen Versorgung von Menschen mit Parkinson besteht heute darin, dass man sich als Arzt bei der Behandlung oft auf eine kleine Momentaufnahme von Informationen verlässt."
Vor dieser Herausforderung stand Dr. Franz MJ Pfister bei seiner Arbeit als Arzt für Menschen mit Parkinson. Um das Problem anzugehen, kombinierte Franz seine praktische Erfahrung in der Neurologie mit einem Master in Datenwissenschaften, um Orbit Health mitzugründen - ein digitales Gesundheitsunternehmen, das die Versorgung von Menschen mit der Krankheit optimieren soll.
"Die Instrumente für Behandlungen und Medikamente sind vorhanden", sagt Franz. "Aber als Arzt sah ich meine Patienten immer nur etwa 15 Minuten am Stück. Da ihre Symptome im Laufe des Tages stark schwankten, zeichnete diese Momentaufnahme ein unvollständiges Bild - was es mir schwer machte, optimale Behandlungsentscheidungen zu treffen. Was ich brauchte, war ein kontinuierlicher Einblick in die Symptome und das Fortschreiten der Parkinsonerkrankung."
Diese "Lücke" inspirierte Franz dazu, mit Sensortechnik zu arbeiten, um Bewegungsdaten von Menschen mit Parkinson zu sammeln. Indem er die Daten mit Unterstützung von Experten für Bewegungsstörungen Minute für Minute kennzeichnete, war er schließlich in der Lage, einen Algorithmus zu entwickeln, der motorische Fluktuationen und Behandlungsreaktionen von Menschen mit Parkinson aufzeichnete. Dies könnte wiederum klinische Entscheidungen unterstützen.
"Als wir diesen Punkt erreicht und in Fachzeitschriften veröffentlicht hatten, dachte ich darüber nach, wie wir die nächste Stufe erreichen könnten", sagt Franz. "Da haben meine Mitgründerin Patty Lee und ich die ersten Gespräche geführt, um aus der Forschung ein Produkt zu machen, das die Menschen nutzen können."
Erhalten kontinuierlicher Einblicke
Das Ergebnis von Franz' Forschung ist Neptune - ein Wearable Sensor und eine mobile App für Gesundheitsfachkräfte, die mit Menschen arbeiten, die an Parkinson erkrankt sind. Neptune basiert auf künstlicher Intelligenz (KI) und wurde für Ärzte entwickelt, um auf der Grundlage der Erkenntnisse über den motorischen Zustand die Pflegemaßnahmen zu personalisieren.
"Man kann sich das wie eine Diabetes-Behandlung vorstellen, bei der man den Blutzucker ablesen kann, um die Dosierung und den Zeitpunkt der Insulineinnahme zu bestimmen", sagt Franz. "Bei Parkinson ist die Behandlung zwar vorhanden und kann recht wirksam sein, aber es sind regelmäßige Anpassungen erforderlich. Mit Neptune sind wir in der Lage, objektive Informationen zu liefern, die den Ärzten helfen, die Behandlung individuell anzupassen."
Jetzt kann dieselbe Technologie, die in Neptune enthalten ist, durch die Einführung von Neptune Care auch von Menschen mit Parkinson genutzt werden.
Die Mitgründerin von Orbit Health, Patty Lee, die über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Gesundheitssektor in Nordamerika, Europa und Asien verfügt, sagt, Neptune Care sei "mehr auf Selbstmanagement und Lernen ausgerichtet". Mit der App können Betroffene Aktivitäten wie Ernährung, Bewegung, Schlaf und das Auftreten von Symptomen aufzeichnen. Diese Informationen werden dann in ein "visuell intuitives" Diagramm eingeblendet, das aufzeigt, wie sich verschiedene Aktivitäten auf die motorischen Symptome einer Person auswirken können, erklärt Patty.
Für diejenigen, die mit der Technik nicht so vertraut sind, könnte der entsprechende tragbare Sensor von Neptune Care dennoch von Nutzen sein. "Solange die Person den Sensor trägt, werden die Daten passiv erfasst und von unserer KI-Engine verarbeitet, um Erkenntnisse über den Bewegungszustand zu gewinnen", sagt Patty.
Sie fügt hinzu, dass derzeit eine Version des Produkts für Pflegekräfte entwickelt wird, die einen "ganzheitlicheren" Ansatz für das Management von Parkinson fördern soll, indem sie den Pflegekräften die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Beobachtungen mitzuteilen.
"Mit dieser Technologie können Menschen mit Parkinson sehen, wie sie auf Behandlungen reagieren oder ihren Bewegungszustand über den Tag hinweg beobachten. Je öfter man den Sensor trägt und die App nutzt, desto mehr Daten und Feedback wird Neptune Care erfassen - und desto nützlicher wird dieses Tool", sagt Patty.
"Wir suchen 100 Personen, die an unserem Early-Access-Programm teilnehmen möchten, bei dem teilnahmeberechtigte Menschen mit Parkinson ein Jahr lang kostenlos Neptune Care in Anspruch nehmen können", fügt sie hinzu und ermutigt die Menschen in der Parkinson Community, sich auf die Warteliste zu setzen.
Zusammenarbeit und Wandel
Franz erinnert sich an frühe Versionen von Neptune, als er in einem Krankenhaus der Schön Klinik Gruppe in München, arbeitete: "Es war erstaunlich, diese Art von objektiven Patienteninformationen zum ersten Mal zu sehen."
Patty erklärt, dass die Warteliste für Menschen mit Parkinson weltweit offen ist. "Ich denke, es ist eine sehr gute Gelegenheit für die Menschen, neue Technologien kennenzulernen und sie zu nutzen, um ihre Krankheit besser zu bewältigen", sagt sie. "Es ist auch eine Chance, ihre Stimme zu erheben: Die Technologie muss sich ständig weiterentwickeln und verbessern, und wir wollen so viel Feedback wie möglich bekommen."
Sie hofft, dieses Feedback zur weiteren Verbesserung der Technologie nutzen zu können: "Letztlich wollen wir Menschen mit Parkinson jederzeit eine optimale Versorgung ermöglichen."
Die Herausforderung besteht nun darin, "die Menschen in die Lage zu versetzen, diese Instrumente selbst zu nutzen" - und die Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen. "Das Gesundheitswesen befindet sich in einem digitalen Wandel zum Besseren", sagt Patty, "und wir müssen uns zusammentun, um das zu erreichen.
Was Sie wissen müssen
Patty Lee, CEO und Co-Founder von Orbit Health, verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Pharma- und Diagnostikbranche. Seit ihrem Ausscheiden aus einer globalen Führungsposition beim Gesundheitsunternehmen Roche Diagnostics in der Schweiz ist sie als Beraterin für Tech-Start-ups in den Bereichen künstliche Intelligenz und Blockchain tätig. Sie hat einen Bachelor of Science von der University of Toronto und einen Master of Business Administration (MBA) von der York University of Toronto, Kanada.
Dr Franz MJ Pfister, Co-Founder von Orbit Health, verbindet Medizin, Wirtschaft und Datenwissenschaft miteinander. Nach seinem Medizinstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Deutschland und der Harvard Medical School in den USA promovierte er in Neurowissenschaften und erwarb einen MBA an der Munich Business School sowie einen Master in Data Science an der LMU. Er lebt in München, Deutschland.
Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in Parkinson's Life